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Als erste feministische Filmemacherin und zeitweilige Leiterin der französischen Filmclubbewegung, stand Germaine Dulac, die im Kontext des französischen Surrealismus arbeitete, in den 20er Jahren im Zentrum filmkritischer- und theoretischer Debatten und hat gegen Ende der Stummfilmzeit mit ihren filmhistorischen Artikeln wesentlich zur Überlieferung der ersten französischen Avantgarde beigetragen.
Infos zur Regisseurin:
Germaine Dulac (* 17. November 1882 in Amiens; † 20. Juli 1942 in Paris) war eine französische Filmregisseurin und Filmtheoretikerin.
Germaine Dulac, Tochter aus großbürgerlichem Hause, heiratete im Jahr 1905 den radikalsozialistischen Ingenieur und Novellenautor Marie-Louis Albert-Dulac (von dem sie sich später scheiden ließ, um mit ihrer Freundin zusammenzuleben), der sie dazu bewog, sich dem Journalismus zu widmen. Sie wurde Redakteurin bei La Française, wo sie unter anderem Theater- und Filmkritiken schrieb.
Dulac debütierte als Regisseurin mit dem Film Les Soeurs ennemies aus dem Jahr 1915. Sie wandte sich neuartigen künstlerischen Ausdrucksmitteln zu; mit ihren Filmen La fête espagnole (1920) und La souriante Madame Beudet (1922) war sie neben Louis Delluc der wichtigste Vertreter des französischen Filmimpressionismus Anfang der 20er Jahre. Beim Film L'invitation au voyage (1927) wirkte sie nicht nur als Regisseurin, sondern auch als Drehbuchautorin und Filmproduzentin. Ihr Film La coquille et le clergyman (1928) nach einem Drehbuch von Antonin Artaud gilt als der erste surrealistische Film, der noch vor dem Film Ein andalusischer Hund (1928) gedreht wurde.
Zwar war Dulac eine der wenigen frühen Regisseurinnen, die in der Filmgeschichte überliefert worden sind, doch wird ihr Werk bis heute nur sehr partiell wahrgenommen. Ein Großteil ihrer Filme ist unbekannt. Als zeitweilige Leiterin der französischen Filmclubbewegung stand die Regisseurin im Zentrum der filmkritischen- und theoretischen Debatten im Frankreich der Zwanzigerjahre und hat außerdem gegen Ende der Stummfilmzeit mit ihren filmhistorischen Artikeln wesentlich zur Überlieferung der ersten französischen Avantgarde, der neben ihr auch Jean Epstein, Louis Delluc und Marcel L'Herbier angehörten, beigetragen.
Für Germaine Dulac, die die zunehmende Diskrepanz zwischen technischem Fortschritt und sozialem Konservatismus sehr genau registrierte, war das filmpolitische und -ästhetische Engagement stark mit aufklärerischen und emanzipatorischen Absichten und Hoffnungen verbunden: sie ist als erste feministische Filmemacherin in die Geschichte eingegangen. Sie hat sowohl kommerzielle Serienfilme wie auch innovative Werke realisiert, die sich in erster Linie mit der Frage beschäftigten, wie im Kino neben dem Zuschauer auch die Zuschauerin erreicht werden kann.
In "L'Invitation au voyage" (1927), zu dem Dulac auch das Drehbuch selber geschrieben hat, beschäftigte sie sich vermehrt mit der Wahrnehmung im Kino, mit dem Verhältnis von Identifikation und Begehren sowie mit der Frage nach der physischen Wirklichkeit im Film. In diesem Film sind diese Themen mit einer systematischen formalen Dekonstruktion verbunden, die mit der Weiterentwicklung von Dulacs filmtheoretischem Konzept einhergeht. Darin steht das Bild, d.h. die Einstellung in ihrem zeitlichen und rhythmischen Kontext im Zentrum. Es wird in einen musikalischen und poetischen Zusammenhang gestellt, der durch eine assoziative, diskontinuerliche und rhythmische Kombination von Einstellungen entsteht. Das imaginäre innere Bild der Zuschauerinnen und Zuschauer wird mitgedacht. Dulacs Kino ist also ein Ort des intensiven Austauschs zwischen inneren und äußeren Bildern, ein Ort der Vermittlung zwischen Innen- und Außenwelt. Die Gegenseitigkeit von objektivem auf die Leinwand projiziertem und subjektiv phantasiertem Bild verdichtet sich in ihrem Bewegungskonzept zur "Essenz des Kinos".
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